Montag, 4. Oktober 2010

"Lena-guck-in-die-Luft"

Manchmal sitze ich im Park auf einer Bank und lese ein Buch. Meistens geschehen um mich herum aber so viele interessante Dinge, die ich beobachte, dass ich das Buch vor dem Einschlafen im Bett weiterlesen muss. 
Ich sitze also auf meiner Bank, habe das Buch aufgeschlagen auf den Beinen liegen und versuche zum dritten Mal den angefangenen Satz zu Ende zu lesen und gleichzeitig auch dessen Sinn zu verstehen, als ich auf einmal eine Kinderstimme höre, die spricht:
"Schau mal da oben!" Die Frau, die neben dem Kind geht und dann stehenbleibt blinzelt in die Sonne und erwidert: "Ich seh nichts." Dann will sie das Kind mit sich ziehen, aber das Kind lässt sich nicht bewegen. "Na dort oben!" Sagt es nochmal, diesmal nimmt es den Finger zu Hilfe, um in die Richtung zu weisen. "Was ist denn dort?" Der Blick folgt nicht dem Finger sondern ist mit gereiztem Gesichtsausdruck auf das Kind gerichtet. "Siehst du das denn nicht?" Fragt das Kind. Der Blick ist mittlerweile zurück gewandert, zur erwachsenen Begleitung. "Nein, nichts", erwidert diese und zieht das Kind nun endgültig mit sich.
Mich lässt das Gespräch traurig zurück und ich beschließe es im Kindergarten aufzugreifen.
Heute waren wir bei strahlender Sonne auf dem Spielplatz, als sich plötzlich Lenas kleine Hand in meine schiebt. "Schau mal da oben", sage ich zu ihr und schirme meine Augen mit der freien Hand ab. Sie folgt sofort meinem Blick und ihr Mund zeigt ein Lächeln mit gleich zwei tollen Zahnlücken. "Meinst du den Schmetterling oder die schönen Blätter?" Ich schaue friedlich auf das Kind hinab und freue mich, dass ich in dem lauter Nichts so viel sehen kann. Die Sonne, den Himmel, die Wolken, die Blätter, einen vorbeifliegenden Vogel ....
"Ach jetzt weiß ich, du siehst die Vogelschiete auf dem Dach!" tönt Lena und läuft zu ihren Freunden davon.

Sonntag, 3. Oktober 2010

Der Blick über die Straße als dritter Erzieher

Angenommen man wäre Eismann - wo wäre der beste Ort im Ort für die Eisdiele?
Richtig. Gegenüber von einem Kindergarten. So kam es, dass ich im Laufe der Zeit Zeuge wurde, von vielen Unterhaltungen, die sich alle nur um das Eine drehten. "Mamaaa? Darf ich noch ein Eis?" Die Frage stellt sich jeden Tag in allen Variationen.
"Mama, es ist so heiß, darf ich ein Eis?" "Ich will ein Eis!" "Hast du zufällig Geld mit, Mamaa?"
Kinder lernen schnell,  dass man mit langgezogenen Vokalen und Dackelblick eher Erfolg hat, als mit Stampfen und Wuttränen. 
Diese Gespräche sind seit jeher fester Bestandteil unseres Angebots. Konsequenz und Absprache ist hier das A und O, das, was so wichtig ist in der Kindererziehung.
Das, was man immer und immer wieder in jeder Elternzeitschrift liest: Kinder brauchen Grenzen, Kinder brauchen Konsequenz und vor allem klare Anweisungen!
"Wir wollen erst Mittag essen, vorher gibt es kein Eis."
"Ich habe auch noch Eis in der Truhe."
"Ich habe mein Geld vergessen."
"Wir machen das Morgen."
"Wir essen nur Freitag ein Eis."
Manchmal sind es Absprachen, manchmal aber auch Ausreden. 
So stehen meine Kollegin also Tag für Tag an der Tür, verabschieden je nachdem entweder erfolgreiche Kinder oder erfolgreiche Eltern und sind uns schnell einig, dass wir nach dem ganzen Vermittlungsstress ("Ach, sagen sie doch auch mal was dazu!") unsere Mittagspause "drüben" verbringen, bei Eisschokolade und Spaghetti-Eis.
Seit Vorgestern ist die Eissaison für dieses Jahr vorbei. Der Eismann und seine Frau haben ihre sieben Sachen gepackt und sind inzwischen hoffentlich wohlbehalten in Italien angekommen.
Morgen wird sich das Blatt wenden. Morgen sind die Eltern gewappnet auf die alles entscheidene Frage. Morgen wird Lisa wie jeden Tag sagen: "Mamilein ... darf ich bitte bitte noch ein Eis?" Und Mama wird antworten: "Eigentlich gern mein Schatz, aber weißt du ...(Kunstpause) ... der Eismann ist jetzt erstmal wieder in Italien!"

Samstag, 2. Oktober 2010

Kann mir mal eben einer das Wasser reichen?

Mit anderen zu frühstücken ist gut für die soziale Entwicklung. Man spricht zwangsläufig miteinander, wenn alle an einer Tafel sitzen und die beliebten Mini-Salamis genau in der Mitte platziert sind. "Kann mir mal eben jemand die Salami geben?" Klar! Vor allem die in der Mitte sitzen und vor lauter hin und hergereiche selbst fast nicht zum essen kommen, sind nach einiger Zeit weniger kommunikativ.
Ich persönlich bin gern irgendwo am Rand, ich möchte den Kindern ja bei dem pädagogischen Angebot nicht im Wege sitzen. 
Außerdem bin ich Vegetarierin. Man kommt also ins Gespräch. Über Trecker, Transformers und das Kinderprogramm von SuperRTL. Ich tue manchmal so, als ob ich wüsste worum es geht, aber bei tiefgreifenden Fragen fliege ich schnell auf. Auch auf die Frage, ob ich gestern nicht "den Dieter" geguckt hätte, muss ich verneinen und am Ende ist es so, wie es ist. Dreijährige wissen über unser derzeitiges Fernsehprogramm eindeutig besser bescheid als ich.
Dafür kann ich das Obst und Gemüse, dass auf dem Tisch steht unterscheiden. Gerade will ich mich pädagogisch am Gespräch beteiligen und fragen "Kann mir mal eben jemand die Tomaten geben?", da fällt mein Blick auf einen Jungen, der mir zuvor kommt und sagt:
"Guck mal, ich hab jetzt 'nen Wackelzahn!" Und da sowas nie bis nach dem Essen warten kann und es den Kindern natürlich aus ganz organischen Gründen  auch während des Essens einfällt, schaue ich zu wie dem kleinen Paul eine bereits gekaute, aber noch nicht hinuntergeschluckte Tomate samt Kernen und Flüssigkeit aus dem Mund tropft, während er stolz mit dem Finger an seinem Zahn wackelt. Ich greife nach einem Stück Käse und nicke freundlich. "Das ist ja toll," sage ich. Appetit auf Tomaten habe ich keinen mehr, aber ich weiß, dass Paul sowieso gewusst hätte, was Tomaten sind.